Die unsichtbare Farbe
Der Gebrauch und die Funktion der Titel im frühen Werk Marcel Duchamps
Der Werktitel ist ein oftmals unterschätzter Gegenstand der bildenden Kunst. Im Werk Marcel Duchamps ist der paratextuelle Begleiter nicht wie gewöhnlich außerhalb des Bildes platziert, sondern ein bildimmanentes Phänomen. In das Bild und auf das Objekt eingeschrieben, avanciert der Titel zu einem untrennbaren sinngebenden Bestandteil des Kunstwerkes. Duchamp selbst hat ihm eine besondere Bedeutung zugeteilt: Er soll wirken wie eine „unsichtbare Farbe“. Mit diesem Verweis auf eine verborgene Komponente in den Werken ist es für den Betrachter nicht mehr möglich, diese allein durch den Akt des Sehens zu erfassen. Vielmehr beginnt Duchamp, aus dem spannungsreichen Verhältnis zwischen Schrift und Bild Strategien in Bezug auf die geistige Deutungsarbeit des Betrachters aufzubauen und zu steuern. Dabei entpuppt sich der Titel als perfider Verführer, der als künstlerisches Instrument die Werkintention in der Schwebe hält.