Teufelshörner und Lustäpfel
Modekritik in Wort und Bild 1150–1620
Aufwändige Kleider, die die gottgewollte Bedeckung menschlicher Blöße nach dem Sündenfall konterkarierten, wurden in unserem Kulturkreis seit frühchristlicher Zeit als Zeichen der Hoffart und als Blendwerk des Teufels gesehen. Mit Aufkommen exaltierter, körperexponierender Moden im 14. Jahrhundert erweiterte sich der Kanon der Modekritik sprunghaft: die Warnungen und Drohungen wurden lauter, die Palette der Argumentation bunter und der modische Bezug konkreter. »Geschwänzte Röcke« wirbelten den Staub in den Kirchen auf, seien Tanzplatz des Teufels, wetterten die Moralprediger, auch zwischen den Hörnern modischer Hörnerhauben und den weiten Öffnungen der Flügelärmel setze sich der Teufel fest. Den hoffärtigen Damen drohe ewige Verdammnis. Dichtende Moralsatiriker des 15. und 16. Jahrhunderts sahen in luxuriösen oder modisch innovativen Kleiderinszenierungen vor allem menschliche Torheit, die demonstriere, wie es um die aus den Fugen geratene Welt bestellt sei. In Sebastian Brants Narrenschiff (1494) wird ein eitler, leichtfertiger Jüngling als Prototyp des Modenarren vorgeführt, der, vom rechten Weg abgekommen, nun einen »schändlich kurz« geschnittenen Rock trage, der kaum mehr den Nabel bedecke. Thomas Murner und andere folgten.Zeitgleich schufen Künstler Bilderwelten, in denen Exempelgeschichten der Moralprediger und Moraldidaktiker illustriert, als anstößig empfundene Moden entlarvt, vorführt oder mit Mitteln der Satire verspottet und nicht selten derb verhöhnt wurden. Holzschnitte, Radierungen und Kupferstiche, veröffentlicht als Buchbeigaben, Einblattdrucke und illustrierte Flugblätter sind lebendige Dokumente dieser von Teufeln und Dämonen bevölkerten, von Todesnähe und Höllenqualen geängstigten Zeit. Welche Modephänomene zogen die Aufmerksamkeit der Moralisten, Didaktiker und Satiriker in besonderem Maße auf sich und warum? Basierend auf breit recherchiertem Quellenmaterial rekonstruiert die Autorin Verlauf und Höhepunkte der Kleiderkritik des Zeitraums 1350 – 1620. Entstanden ist ein aufschlussreiches, greifbares Bild der Wert- und Moralvorstellung des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, mit vielen Anmerkungen zur Kleider-, Mode- und Sittengeschichte dieser Epoche.Das reich illustrierte Buch ist der erste Band einer auf fünf Bände angelegten Publikationsreihe zum Thema Modekritik, Modesatire, Modekarikatur vom Mittelalter bis Anfang des 20. Jahrhunderts.